Braucht man als Nicht-Schlossbewohner eine Anleitung zum Schlossleben? Ich weiß es nicht. Zumindest wusste ich es nicht, bis ich das Buch „Wo Grafen schlafen – Was ist wo im Schloss und warum?“ von Eduard von Habsburg-Lothringen gelesen habe.
Habsburg – direkter Nachkomme des einstigen österreichischen Kaiserpaares Franz Joseph und Elisabeth (die „Sissi“ genannt wurde und durch schmalzige Verfilmungen auch späteren Generationen noch gut bekannt ist) – beschreibt auf charmante Art und Weise, was Schlösser eigentlich sind und wie es sich darin lebt. Als Bewohner eines solchen alten, überdimensionierten Kastens hat mich das natürlich interessiert. Zudem wollte ich feststellen, ob das Buch auch taugt anderen so ein Schlossleben näher zu bringen. Kurzum: Ja. Wenngleich Schloss ja nicht gleich Schloss ist, was Habsburg gleich zu Beginn seines Büchleins auch klar stellt.
Ein paar Konzepte aus dem Buch werde ich nun exemplarisch heraus greifen, weil sie mich berühren oder ich mich sonstwie damit identifizieren kann.
Der unverwechselbare Geruch von Schlössern. Gibt es das? Insofern es alter Bausubstanz und bestimmten Baustoffen geschuldet ist, ist das sicherlich so. Bei uns ist das ja der kalkschwere Geruch, der von der sich im permanenten Zustand der sich Abrieselns befindenden Kalk-Leim-Farbe an den Wänden geschuldet. Schlossspezifische Geräusche stammen sicherlich von hohen Decken und langen, kahlen Fluren. Die Filzschuhe, die man sich in manchen Schlössern zur Schonung von Estrich oder Parkett noch überstreifen muss, gab es bei uns vor 30 Jahren auch mal. Allerdings eher so als Jux. Es sind davon seit Jahren mehr keine gesehen worden. Für eine Schlossführung mit Kindern wäre das aber mal wieder ein schöner Gag…
Der Schlossgarten… Meine große Liebe
Besonders schön finde ich, dass Habsburg seine virtuelle Schlossbesichtigung im Schlossgarten beginnt, verbringe ich dort ja auch so viele Stunden meines Lebens. Solch einen Schlossgarten – sofern noch nicht vorhanden, legt man zur Schönheit an, um darin flanieren zu können (sollte ich auch öfter mal machen, nur darin flanieren). Früher hatten herrschaftliche Gärten aber auch eine andere Funktion. Neulich las ich in dem sehr empfehlenswerten Buch von Yuval Noah Harari „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ (oder war es im Folgebuch dazu „Homo Deus“?) der gemeine Garten sei entstanden, weil der aufkommende Wohlstand bürgerlicher Menschen diese als ein Nacheifern früherer herrschaftlicher Gartenanlagen pflegten. Die Herrscher hätten diese ursprünglich nur angelegt, um zu signalisieren „ich kann es mir leisten mir einen so nutzlosen, arbeitsaufwändigen Garten zu halten“ und wir würden es ihnen mit unseren privaten, meist ebenso nutzlosen Rasenflächen nun nach machen. Auch Habsburg beschreibt barocke Gartenanlagen als Verlängerung „absolutistischer Macht des Herrschers“. Wer sich als verarmter Landadeliger noch einen solchen Garten hält (mit entsprechend hohem eigenen Arbeitseinsatz) tut dies nun jedoch eher aus ästhetischen Gründen und zur Bewahrung historischer Vorlagen.
Das Treppenhaus als Werkzeug zur Repräsentation greift Habsburg auch auf. In unserem Schloss musste – aus eben jenen Gründen – Fürstbischof Damian Hugo Graf von Schönborn nachhelfen und das erst fünfzig Jahre zuvor erbaute Schloss umbauen und die prunklosen Wendeltreppen durch eine herrschaftliche Sandsteintreppe mit Baluster ersetzen.
Dach und Kanalisation „zwei große Sorgenkinder von Schlossbesitzern, zwei große Kostenverursacher“ zu nennen trifft es sehr gut. Es genügt jedoch, wie es auch Habsburg tut, das Thema mit dieser kurzen Beobachtung schon wieder zu verlassen und sich schöneren, lebensfroheren Schlossthemen zu widmen.
Damit, dass es in einem typischen Schloss oft schwierig ist den eigentlichen Eingang zu finden, trifft Habsburg es ins Schwarze. Das ist bei uns auch schon so manchem Gast so gegangen, der den Eingang ausgerechnet von der Seitengasse aus sucht, von der aus es gar keinen Eingang gibt, oder über den Innenhof seitlich hineinkommt, weil er vor dem Hauptportal mit seiner Doppeltreppe und herrschaftlichem Doppelwappen über dem Portal steht und sich fragend den Kopf kratzt, wo es eigentlich hinein gehen soll.
Das Thema Jagd findet bei Habsburg natürlich Gehör, ist so manches Schloss doch gefüllt mit Jagdtrophäen (was bei uns nicht anders ist, auch wenn diese nicht ursprünglich zum Schloss gehören). In Adelskreisen ist es ausserdem Chic zur Jagd zu gehen und auch als Nichtjäger im Loden-Janker umher zu gehen (was auch Habsburg ein wenig augenzwinkernd bemerkt). Auch ich habe mal den Jagdschein gemacht, aber nicht, um in unseren nicht vorhandenen Wäldern zur Jagd zu gehen, sondern weil sich mir die Gelegenheit während der Stationierung in Rheinland Pfalz unter dem Besatzungsstatut Ende der 1980er Jahre sehr günstig bot und ich gerne Weiterbildungsangebote annehme, vor allem, wenn sie mich nichts kosten – außer Zeit.
Ja, im Winter ist es kalt in Schlössern
Das alte, für den eigentlichen Bewohner sehr leidige Thema „im Winter im Schloss frieren“ und die „Heizkosten“ bereitet Habsburg natürlich auf. Darüber könnte ich vieles erzählen und werde mir das für einen zukünftigen Blogartikel aufheben.
Schmunzeln musste ich bei dem Abschnitt zur Beharrlichkeit alter, thematisch nicht mehr zutreffender Zimmernamen in Schlössern, hatten wir ja selbst lange Jahre einen Abstellraum, der zu einem kleinen Festsaal wurde, „Kapelle“ genannt, weil eine solche dort mal von meinem Vater geplant war. Siehe dazu einen Beitrag im alten Schlossblog, unten verlinkt.
Die von Habsburg beschriebene Tradition ein Gästebuch zu führen finde ich sehr schön. Ich weiß nicht wann und warum wir damit aufgehört haben. Ich werde diese Tradition wieder aufleben lassen. Irgendwann. Vielleicht morgen. Oder in ein paar Jahren.
Beliebt sind sicherlich auch Habsburgs Erläuterungen zu Nachttöpfen und Toiletten in Schlössern. Auch dazu kann ich später in einem weiteren Blogartikel noch einige Anekdoten zum Besten geben, werde ich schließlich oft bei Schlossführungen zu diesen Themen befragt. Auch weitere Themen, die ich jetzt nicht weiter kommentieren werde, wie Bibliothek, Archiv, Kapelle und – natürlich – Schlossgespenster greift Habsburg auf.
Also stellt sich mir nochmals die Frage: Braucht man eine solche Anleitung zum Leben in einem Schloss? Nun ist es ja keine Anleitung als solche. Eher eine Ode an Schlösser jeglicher Art und ihre Eigenheiten. Eine nette Sammlung von Anekdoten. Insofern: Ja. Das braucht man. Vielleicht macht sie ja auch Lust (m)ein Schloss mal näher zu betrachten und zu besuchen. Das ist bei uns ja auch als Hotelgast für kurze Zeit möglich, ohne dass man sich gleich ein Leben lang zum Buchsheckenschnitt verdingen lassen muss.
Aus dem Buch entstand übrigens eine TV-Serie, die 2014 bei Servus TV ausgestrahlt wurde.
Bei der Recherche zu Buch und Autor stieß ich dann noch auf etwas, das ich Inhaltlich noch interessanter als dieses Büchlein finde: den Podcast „Glaubenssache. Atheismus und Katholizismus im Diskurs“ den Eduard von Habsburg-Lothringen zusammen mit Alexander Waschkau macht, dessen skeptischen Podcast HOAXILLA ich schon seit einigen Jahren gelegentlich höre.
Weiterführende Links:
Die Kapelle, die keine Kirche mehr ist http://zeilitzheim.blogspot.de/2012/06/die-kapelle-die-keine-kirche-mehr-ist.html
Das Buch bei Amazon https://www.amazon.de/Wo-Grafen-schlafen-Schlo%C3%9F-warum/dp/3406607039/
Wo Grafen schlafen bei Servus TV http://www.servustv.com/de/Sendungen/Wo-Grafen-schlafen
Eduard von Habsburg-Lothringen bei Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Habsburg-Lothringen
Podcast: Glaubenssache. Atheismus und Katholizismus im Diskurs http://glaubenssache.info/
Podcast: HOAXILLA http://www.hoaxilla.com/